Anika Giese

Internationales Medien Stipendium 2013

Stipendiatin
Die Arbeit

Development history and business

In London im Bus rückwärts zu sitzen fühlt sich wie „Zurückspulen“ im Film an. Dabei habe ich den größten Teil des Tages in die Zukunft geblickt, denn bei der BBC in der Formatentwicklung für Langformate wird Orakel gespielt. Aber nun chronologisch …

Ganz klar habe ich in meine Bewerbung geschrieben: „Ich möchte mit dem internationalen Medienstipendium zur BBC nach London.“ Und zwar in die Abteilung, die die Stoffe für Dokumentationen meist für zwei Jahre im Voraus entwickelt und pitcht. Kurz und im BBC Slang „development history and business“.  Vorhaben an die Stiftung geschrieben. Vorm Kuratorium argumentiert. Glücklich weil ausgewählt. Fine-Tuning mit großartiger Unterstützung von Herrn Schulz und Alt-Kontakten zur BBC. Ab an die Themse.

“Looking forward to meeting you on Monday. Please come to the reception of New Broadcasting House, Portland Place, London W1A 1AA for 10am and ask reception to call me“,  schreibt meine Talent Managerin in ihrer letzten E-Mail. Sie organisiert für mich Ansprechpartner, Passwörter, Telefonnummern und hat obendrein ein Lächeln bei der ersten Frage: „Was können wir tun, um die Zeit in London bei der BBC für dich optimal zu gestalten?“ Großartig, denke ich, während ich mich, meinen Laptop mit eigener BBC-Mailadresse unter den Arm geklemmt, auf dem Rundgang durch die wichtigsten Etagen des gläsernen Gebäudes befinde.

In der siebten Etage in der Zone C sitzt meine Gast-Abteilung, die Formatentwicklung. Feste Plätze gibt es hier nicht. Jeden Morgen sucht sich Jeder eine neue Docking Station, seinen Arbeitsplatz für den Tag. Meetings und kleine Ideen-Runden werden kurzfristig in den Sofa-Ecken oder Coffee-Bar-ähnlichen Locations abgehalten, die Mittagspause rund um den Oxford Circus. Abwechslungsreich. Immer mit Blick in den Nachrichten-Kessel im Erdgeschoss. Breaking News auf Leinwänden im ganzen Haus.

In der Zone C allerdings ticken die Uhren langsamer. „Wir“ starten  auf dem weißen Blatt Papier. Themen, Bildideen, Produktionsweisen neu setzen, erfinden, dramaturgisch „out of the box“ denken. Dabei sitzt der Researcher neben der Junior Producerin, der Regisseur neben dem Leiter der Abteilung und ich mittendrin. Als Producer/Director from ARD German Television werde ich vorgestellt. Entwickeln für BBC One, BBC Two und BBC Four.

Das Wort „Leitmotiv“ gibt’s zum Glück in beiden Sprachen. Für die Vorstellungskraft für Szenen mit 3D-Lasertechnik gibt’s keine Sprachbarrieren. Der Teamabend im Pub lehrt das Cider- und Ale-Vokabular.  Internationale Co-Produktionen, Recherche in verschiedenen Sprachen, Genre-Hopping von Ausgrabungen in Machu Picchu, Pendler in Europa, Reformation, Mumien oder doch Expeditionen im Himalaya. Ein produktiver Einblick. Ideen für deutsche Co-Produktionen inklusive.

Dass ich als Journalistin in dieser inspirierenden Stadt in solch einer Ideen-Schmiede auf so einem hohen Niveau einen Austausch erfahren und gestalten durfte, habe ich von der ersten bis zur letzten Minute der Sir Greene Stiftung zu verdanken. Herr Schulz, ohne Sie hätte ich weder die letzten Wochen meines Aufenthalts noch im ARD-Studio als Producer arbeiten noch persönliche Worte vom Intendanten der BBC entgegennehmen können. Voller Dankbarkeit und mit frischem Kopf und guten Ideen ging’s vorwärts zurück nach Deutschland.

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