Elise Landschek
Internationales Medien-Stipendium 2012
Abnahme, Sprechen, Mischen und ab die Post
Ich muss zugeben: Zu Arte wollte ich schon, bevor ich überhaupt Journalistin geworden bin. Ich mag den Sender, die Themenabende, den Internet-Auftritt voller interaktiver Specials und Dossiers. Außerdem fand ich die Vorstellung sehr verlockend, in Frankreich wieder einmal zu leben und dort auch arbeiten zu können, internationale Themen zu recherchieren, die Sprache zu sprechen, das Elsässer Essen und der Wein zu genießen – kurz, ich habe mich einfach richtig gefreut, als die Wahl der Jury für das Stipendium auf mich fiel.
Straßburg empfängt mich mit Nieselregen. Meine Wohnung liegt nur zehn Minuten zu Fuß von Arte entfernt am anderen Ufer der Ill, den Arbeitsweg an meinem ersten Tag lege ich im Laufschritt zurück (meine Regenjacke liegt sicher und trocken zuhause in meinem Hamburger Schrank verwahrt). Das Gebäude von Arte steht zutiefst symbolisch direkt neben dem Europaviertel, die mächtigen Glashäuser von Europarat, Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte und Europaparlament schrauben sich direkt neben den großen Parabolantennen auf dem Arte-Dach in den Himmel.
Triefend stehe ich vor dem Empfangstresen: zum Arte Journal möchte ich. Ich bin die Neue, jedenfalls für die nächsten Wochen. Die Empfangsdame schaut unsicher, telefoniert kurz und gibt mir dann, jetzt ganz freundlich, den Plastikbadge. Meinen Zugang zum drehkreuzgesicherten Arte-Reich.
Mein Arbeitsalltag kann beginnen, noch habe ich keine Ahnung, was mich erwartet. Dass das Verhältnis zwischen Deutschen und Franzosen selbst in einer komplett deutsch-französischen Redaktion nicht so ganz einfach sei, munkelt man. Vielleicht gäbe es ja auch gar nicht genug zu tun für mich. Aber die Kantine sei die beste Europas. Ich lasse mich überraschen.
Die erste Konferenz findet auf Deutsch statt, ich bin fast ein bisschen enttäuscht. Doch das soll eine der ganz seltenen Ausnahmen bleiben, meistens werden die Themen für Mittags- und Abendsendung auf französisch besprochen. Syrien ist ein thematischer Schwerpunkt in den Frühlingsmonaten, in denen ich dort arbeite, der NSU-Prozess, aber auch viel Afrika: Somalia, Mali, Kongo, Elfenbeinküste, Sudan und natürlich die Länder des arabischen Frühlings. Anders als nach Nachrichtensendungen, die in Deutschland geplant und produziert werden, bekommt man das Gefühl: die Region dort unten brennt, die Konflikte zwischen religiösen Gruppen und Untergruppen sind kaum noch auseinanderzuhalten.
Am Ende der Vormittags-Konferenz, so gegen 11 Uhr, werden die Themen für die Abend verteilt. Meine Rolle im Großraumbüro ist noch unklar, ein paar skeptische Blicke taxieren mich. Schließlich habe ich zwar eine trimediale Ausbildung, aber in den letzten drei Jahren fast nur beim Radio gearbeitet. Ich mache ein Probe-Stück zusammen mit einem der deutschen Redakteure – es klappt erstaunlich gut. Danach gehöre ich zur Mannschaft. Aus angeliefertem Material der Agenturen, von festen Korrespondenten und freien Reportern in den Krisengebieten, mit Archivmaterial, animierten Grafiken und Karten baue ich dann pro Schicht einen Anderthalbminüter zusammen.
Die Übersetzer brauchen meinen Text bis spätestens 18.00 Uhr, für die französische Version der Sendung. Abnahme, Sprechen, Mischen und ab die Post: Um zehn nach sieben beginnt die deutsche Sendung, um 19.45 Uhr die französische. Danach beginnt die Auswertung des Journals, der Arbeitstag endet gegen 21 Uhr. Eine langer Riemen, ich bin seit halb zehn Uhr vormittags um Büro. Ab und zu habe ich Schicht bei den Onlinern des Arte Journals, Internetdossiers zur Sendung erstellen, Interviews führen, Artikel schreiben, Fotos organisieren.
Nach der ersten Arbeitswoche verschlafe ich fast das ganze Wochenende, danach bin ich im Trott und finde es vor allem großartig, dass ich so eingebunden werde. So vergehen die Wochen, ich besuche das Europäische Parlament, schwelge in den drei-Gänge-Menüs der tatsächlich unfassbar guten Kantine und stelle fest, dass es tatsächlich noch immer Spannungen zwischen Deutschen und Franzosen geben kann. Aber schließlich ist auch in meiner Heimatredaktion nicht immer alles voller Frieden und Harmonie.
Dann kann ich sogar selbst auf einen Dreh fahren, für eine Kulturreportage über Marseille. Außerdem biete ich noch eine Audio-Video-Slide-Show zum Thema für’s Internet an – und darf auch das realisieren. Turbulente letzte Tage mit durchgearbeiteten Nächten und Wochenenden folgen, als am Ende als über den Sender geht bzw online steht ist, mache ich drei Kreuze – aber bin wahnsinnig glücklich, dass alles so gut geklappt hat. Eine tolle Zeit und auf jeden Fall eine Erfahrung.