Leonore Kratz
Internationales Medien-Stipendium 2016
Manchmal muss es nicht das Ausland sein, um Abenteuer zu erleben
Es kam alles anders als gedacht – und wurde richtig gut! Als ich im April 2016 das Internationale Medien-Stipendium der Sir Greene Stiftung erhalte, will ich eigentlich zum Fernsehsender ARTE nach Strasbourg. Französisch, Fernsehen, Kulturprogramm – traumhaft. Leider wird dann nichts daraus. Der Sender nimmt in dem Jahr keine Hospitanten mehr an.
Stattdessen vermittelt mich die hervorragend vernetzte Jury der Stiftung großartig kurzfristig zur Deutschen Welle nach Bonn. Genauer gesagt in die Redaktionen Kultur Online und Französisch für Afrika. Die ehemalige Hauptstadt empfängt mich im September 2016 mit sonnigen 30 Grad. Als ich zum ersten Mal zur “Welle” fahre, wird das Gefühl von Urlaub nicht weniger. Das Medienunternehmen liegt direkt am Rhein mit idyllischem Blick auf das leicht gewellte Siebengebirge.
Der Alltag holt mich aber schnell ein, denn ich bin vom ersten Tag an richtig eingebunden: “Auf der Biennale in Venedig läuft der erste Film in Virtual Reality, mach doch da mal eine Geschichte draus.” Okay, mache ich … Was für ein Glück, dass der Film die Lebensgeschichte von Jesus zeigt. Dass ich die Filmbeauftragte der Landeskirche Hannovers kenne. Dass die mir einen Kontakt zur Jury vermittelt. Dass der mir am Handy live aus Venedig berichtet.
Auch die darauffolgenden Tage und Wochen bleiben spannend: Vom Interview mit YouTube-Stars auf der Kölner Fotomesse Photokina über die Kinopreview der Flüchtlingskomödie “Willkommen bei den Hartmanns” bis zur Reportage über Westafrikas maritime Sicherheit inklusive einem Telefongespräch in den Senegal ist alles dabei. Besonders beflügelnd: Meine Bildergalerie über die schönsten Bibliotheken der Welt wird als meistgeklickter Artikel zum Tagessieger des gesamten Unternehmens.
Bei der Deutschen Welle entdecke ich außerdem meine Liebe zum Online-Journalismus: Wer seine Geschichte nicht nur recherchiert und schreibt, sondern passende Fotos aussucht und platziert, Interviewpartner und Institutionen verlinkt und dann vielleicht noch ein Video einfügt, der hat sich seinen Artikel so richtig erarbeitet. Interessant ist natürlich auch die riesige Afrika-Redaktion, die neben Französisch auch auf Englisch, Kisuaheli, Portugiesisch, Amharisch und Haussa arbeitet. Darüber hinaus ist sie eine der wenigen Redaktionen der Deutschen Welle, die noch Radiosendungen produziert.
Neben den inhaltlichen Anregungen sind es vor allem die Kollegen, die mir in zahlreichen Mittagspausen und Flurgesprächen Lehrreiches, Lustiges und Persönliches mitgeben. Mit einer Kollegin ist der Draht besonders gut. Sie lädt mich in ihre YouTube-Sendung über deutsche und amerikanische Lebenswelten ein. Spätestens jetzt ist meine Hospitanz bei der Deutschen Welle endgültig multimedial.
Manchmal muss es nicht das Ausland sein, um Abenteuer zu erleben. Aus einer unerwarteten Kursänderung von Strasbourg nach Bonn wurde eine ebenso aufregende wie anregende Zeit. Dafür möchte ich mich bei der Sir Greene Stiftung, allen voran bei Herrn Schulz, von Herzen bedanken.