Die Vorbereitung einer lange geplanten Reise gipfelt Ende August 2017 darin, dass ich mir gebannt ein Flutvideo nach dem anderen anschaue: Menschen paddeln in Booten zwischen Häuserdächern umher, andere waten mit verzerrten Gesichter durch hüfthohe Wassermassen. Und erst die Satellitenbilder: Die verwirbelten Wolkenschlieren rund um das Auge von Hurrikan Harvey füllen den halben Golf von Mexiko aus – und sie machen mich nervös. Denn nur wenige Wochen später werde ich selbst nach Houston fahren, ins Epizentrum der Verwüstung.

Begonnen hat alles mit einer Mail, die eine Kollegin mir schickt: „Was für Dich?“ steht im Betreff. Angehängt die Ausschreibung der Sir-Greene-Stiftung. Die Bewerbung ist schnell geschrieben, denn zwei Themen, für die ich die USA besuchen will, schwirren mir schon seit längerem im Kopf herum. Nur eine Finanzierung fehlt eben.

Ein paar Wochen später sitze ich schon in einem Konferenzraum der Sparkasse Hannover und erzähle von meinen Ideen. Die Jury ist wohlwollend – und freut sich, dass ich Wissenschaftsthemen mitgebracht habe. Nach einer Stunde Warten ist die Sache mit der Finanzierung für meine aufwendige Recherche überraschend geklärt. Ich bin überglücklich.

Tatsächlich ist die Recherche mein erster längerer Aufenthalt in den USA, und so vermischt sich die journalistische Neugier mit der eines Reisenden. In Philadelphia verbringe ich – bevor es nach Houston geht – einige Tage an der University of Pennsylvania, vor allem an der Uniklinik. Mehrmals treffe ich einen außergewöhnlichen Arzt, der der Protagonist eines langen Artikels über seltene Erkrankungen werden soll.

Er leidet an Morbus Castleman, einer seltenen und gefährlichen Erkrankung, die ihn mehrfach fast umgebracht hat. Als er feststellte, dass auch die weltbesten Experten ihm nicht weiterhelfen können, weil kaum etwas über die Erkrankung bekannt ist, beschloss er den Rest seines Lebens dieser Erkrankung zu widmen – als Patient, Arzt und Wissenschaftler.

Es ist diese Doppel- oder Dreifachrolle, die seine Erfahrungen so wertvoll macht. In seiner Herangehensweise an die vielen ungelösten Rätsel der Erkrankung verstecken sich Rezepte, wie auch anderen seltenen Erkrankungen beizukommen sein könnte – in den USA und im Rest der Welt. Denn jede seltene Erkrankung ist für sich genommen zwar selten. Kollektiv aber betreffen seltene Erkrankungen vier Millionen Deutsche und über dreißig Millionen Europäer.

Für den zweiten Teil meiner Recherche verschlägt es mich dann nach Houston. Als ich lande, fängt es an zu regnen. Der erste Regen seit Hurrikan Harvey. In der Straßenbahn will das Dach nicht dicht halten, Regen tropft auf meinen Schoß. Ich bin angereist, um über Tropenkrankheiten an der Golfküste der USA zu schreiben, die dort erstaunlich häufig sind und vor allem die Menschen treffen, die in bitterer Armut leben.

Aber noch immer steht die Stadt komplett im Zeichen der Flutkatastrophe. Und so spreche ich mit Menschen, die durchweichte Wände und Bodenplatten aus ihren Häuser reißen, damit der Schimmel die Häuser nicht unbewohnbar macht. Und ich begleite für einige Tage die Menschen, die versuchen, die gesundheitlichen Folgen der Flut abzuschwächen: Die Public-Health-Behörde, die in punkto Mückenkontrolle weltweit ihresgleichen sucht, und Tropenmediziner, die Angst vor den Erkrankungen haben, die die Mücken übertragen. Denn deren Population ist nach der Flut in die Höhe geschnellt.

Die Sir-Greene-Stiftung hat mir eine inspirierende Reise mit zwei intensiven Recherchen finanziert, die ich sonst wohl nicht gemacht hätte. Am Ende verließ ich die USA mit vielen Eindrücken – und noch mehr neuen Ideen für journalistische Projekte im Kopf.

Lesen Sie hier den Artikel „Mit der Flut kamen die Mücken“ von Jakob Simmank, veröffentlicht in: DIE ZEIT vom 5. Oktober 2017.