mirja-fiedler„Es gibt einen Plan A und einen Plan B für Sie“, sagt mir der Vorsitzende der Sir-Hugh-Carleton-Greene-Stiftung, Hartmuth Schulz, nach dem Bewerbungsgespräch in Hannover. „Mehr zu sagen, wäre zum jetzigen Zeitpunkt unseriös. Aber lassen Sie auf jeden Fall Ihr Telefon an.“ Und es klingelt wirklich. Der Redakteur des Fernsehdirektors der Deutschen Welle, Fabian von der Mark, ist dran. „Wir haben Ihre Bewerbung von der Intendanz bekommen. Wir können Ihnen Washington, DC, Brüssel oder Berlin anbieten.“ Ich entscheide mich für Brüssel.

Am 14. Oktober 2014 ist es so weit. Ich sitze im Zug nach Belgien. Glücklicherweise kann ich bei einer Freundin wohnen, die ich vor zehn Jahren während meines Studiums in Washington, DC kennengelernt habe. Sie lebt mit ihrem italienischen Freund im Viertel Louise – einem angesagten Szeneviertel in Brüssel mit Geschäften, Bars und Cafés.

Doch viel Zeit zum Ausgehen bleibt mir nicht. Am nächsten Vormittag fahre ich mit der Metro ins Brüsseler Regierungsviertel, wo die Deutsche Welle ihre Büros in einem Gebäude mit der ARD hat.

Von Ebola über den Gasstreit bis zum EU-Gipfel

Zwei intensive Wochen folgen. Regelmäßig besuche ich das Midday Briefing in der Europäischen Kommission und Hintergrundgespräche. Ebola, Libyen, Irak, Syrien, der sogenannte Islamische Staat, der Mittlere Osten und die Situation im Gazastreifen sind einige der Themen, die ich recherchiere. Während Russen und Ukrainer über Gas streiten, warte ich mit anderen Korrespondenten und meinem Kamerateam vor der Europäischen Kommission auf den Durchbruch der Verhandlungen. Die angekündigten Pressestatements verzögern sich – bis in die Nacht. Tagsüber erklären aus London eingeflogene Experten anderen Journalisten und mir im Hintergrund, wie sich der Bankenstresstest zusammensetzt und die Ergebnisse auswirken könnten.

Von Brüssel an die belgische Küste

Die Korrespondenten der Deutschen Welle in Brüssel berichten aber nicht nur aus der belgischen Hauptstadt. Für den EU-Außenministerrat fliegt Studioleiter Max Hofmann zum Beispiel nach Luxemburg. Auch Den Haag und Straßburg decken die Journalisten ab.

Ich fahre für einen Dreh an die belgische Küste. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird das flämische Nieuwpoort besuchen, um dort der Flandernschlacht vor 100 Jahren zu gedenken. Für meinen Magazinbeitrag interviewe ich den belgischen Historiker Patrick Vanleene. Seine Großeltern haben erlebt, wie ein belgischer Offizier mit Erlaubnis des Königs Albert I. Schleusen öffnete und das Land flutete. So konnten die Belgier die deutsche Armee stoppen. Ein entscheidender Wendepunkt während des Ersten Weltkrieges, erzählt mit Patrick Vanleene. Anschließend kämpften die Truppen aus Schützengräben. In Diksmuide zwischen Nieuwpoort und Ypern drehe ich mit meinem Kamerateam einen nachgebauten Schützengraben, den sich auch Touristen ansehen können. In Brüssel erklärt mir der Kurator des Königlichen Armee- und Militärgeschichtemuseums, Henri Dupuis, dass die Invasion der Deutschen Flamen und Wallonen zu einer Art nationalen Gemeinschaft zusammengeschweißt habe.

Bundeskanzlerin und NATO-Generalsekretär

In Berlin übersetzen Kollegen meinen Fernsehbeitrag ins Englische. Auch für Radio und Internet produziere ich. Vor dem EU-Gipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel interviewe ich den Direktor der Denkfabrik Bruegel, Guntram Wolff, zur EU-Finanzkrise. Das Radiointerview und ein Foto erscheinen online. Während des EU-Gipfels bin ich im Europäischen Rat, wo die Journalisten gespannt darauf warten, dass etwas Neues aus den Verhandlungen nach außen dringt. Korrespondenten schalten live – für die Deutsche Welle auf Deutsch und Englisch. Immer wieder stecken Verantwortliche der Delegationen den Journalisten Informationen. Unter die Korrespondenten mischt sich auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.

Nach dem EU-Gipfel nimmt Deutsche Welle-Studioleiter Max Hofmann mich mit zum US-amerikanischen Think Tank German Marshall Fund in Brüssel. Dort hält der ehemalige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg seine erste öffentliche Rede als NATO-Generalsekretär. Er spricht über seine Kindheit während des Kalten Krieges in Norwegen, neue außenpolitische Herausforderungen und seine Ziele als NATO-Generalsekretär.

Mit Kamerateam in Amsterdam

An meinem vorerst letzten Tag für die Deutsche Welle in Brüssel reise ich in die Niederlande, um dort für die Hauptabteilung Kultur und Gesellschaft zu drehen. Ich interviewe den Fotografen Hans Eijkelboom in seinem Atelier, bin mit ihm auf der Straße unterwegs und suche Hipster und andere modisch gekleidete Niederländer und Touristen für einen Beitrag in der Sendung Euromaxx.

Sightseeing und eine Auszeit in Belgien

Brüssel erkunde ich zu Fuß, mit Bus und Metro. Eine Hauptstadt mit internationalem Flair, die für viele aber nur eine Zwischenstation ist, wie mir meine Freunde erzählen. An einem Wochenende fahren wir zusammen in die Ardennen, wo die beiden sich ein kleines Chalet kaufen wollen – für Auszeiten, um vom Trubel und den Terminen in der hektischen Großstadt zu entspannen.

ARD-Korrespondent und eine Hochzeit

Natürlich nutze ich die Chance, um nach einem Midday Briefing in der Europäischen Kommission den Leiter des Brüsseler ARD-Fernsehstudios, Rolf-Dieter Krause, anzusprechen. Er erklärt mir, dass das Leben eines Auslandskorrespondenten nicht nur Vorteile, sondern auch Nachteile mit sich bringe. Ja, die sind mir sehr wohl bewusst. Sein Fazit unseres Gesprächs: „Sie wollen das ja wirklich.“ Ja, ich will. Und noch zwei trauen sich. Meine Freundin aus Brüssel und ihr Freund, bei denen ich gewohnt habe, heiraten im Frühjahr 2015 in Südafrika. Auf ihrer Neujahrskarte das Foto, das ich von den beiden während unseres Ausflugs in die Ardennen gemacht habe. In der Karte kündigen sie ihre Hochzeit an.

Vielen Dank für eine spannende, lehrreiche und prägende Zeit in Brüssel! Ich hoffe, dass ich die Chance bekommen werde, als Korrespondentin ins Ausland zurückzukehren. Das ist zumindest mein Plan.